Die Stimme hinter Gittern – der Blogger und Fotograf Soheil Arabi gegen das iranische Regime

Kritischer Fotojournalismus weltweit

Weil er sich offen kritisch gegenüber dem iranischen Regime äußerte, wurde der Fotograf und Blogger Soheil Arabi verhaftet, gefoltert und fast acht Jahre lang inhaftiert. Heute lebt er – obwohl offiziell freigelassen – unter strengen Auflagen im erzwungenen Exil und steht weiterhin unter ständiger Überwachung. Seine Geschichte ist mehr als ein Einzelschicksal: Sie ist ein erschütterndes Zeugnis staatlicher Repression und zugleich ein eindringlicher Appell für Meinungsfreiheit und Menschenrechte im Iran.

Aktuell lebt Soheil Arabi unter strengen Auflagen im südiranischen Borazjan. Obwohl seine reguläre Haftzeit bereits im März 2023 endete, darf er die Stadt nicht verlassen und steht weiterhin unter ständiger staatlicher Überwachung. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch werten diese Situation als eine Form des sogenannten „internen Exils“ – eine Repressionsmaßnahme, die autoritäre Regime wie der Iran zunehmend nutzen, um kritische Stimmen auch nach der Haftzeit zum Schweigen zu bringen.

Festnahme und Verhaftung

Arabi war Anfang der 2010er-Jahren durch regierungskritische Äußerungen in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter aufgefallen, schließlich wurde er am 7. November 2013 in seiner Wohnung in Teheran festgenommen. Verantwortlich hierfür waren Einheiten der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC). Die Verhaftung fand mitten in der Nacht statt, seine Frau Nastaran Naimi wurde ebenfalls in Handschellen abgeführt. Gemeinsam wurde das Ehepaar in das berüchtigte Evin-Gefängnis im 2. Bezirk von Teheran gebracht. Während Nastaran Naimi nach wenigen Stunden wieder freigelassen wurde, begann für Arabi ein Albtraum, bestehend aus stundenlangen Verhören, Isolation und massiven Misshandlungen. In den ersten Wochen wurde er in Einzelhaft gehalten und mehrfach unter enormem psychischem Druck zu Geständnissen gezwungen. Der Vorwurf lautete unter anderem auf „Beleidigung des Propheten“ in seinen Social-Media-Beiträgen – eine Anklage, die im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Trotz internationaler Proteste und weltweiter medialer Berichterstattung wurde er wiederholt verurteilt, gefoltert und über Jahre hinweg in unterschiedlichen Trakten des Evin-Gefängnisses festgehalten – unter unmenschlichen Bedingungen.

Symbol der politischen Repression

Das Evin-Gefängnis ist vor allem dafür bekannt, dass dort zahlreiche politische Gefangene inhaftiert sind, darunter Journalisten, Fotografen, Blogger und Menschenrechtsaktivisten, aber auch Regimekritiker und religiöse Minderheiten. Das Gefängnis gilt als Symbol der politischen Repression im Iran und einige Trakte, insbesondere Trakt 209 und Trakt 240, werden direkt vom iranischen Geheimdienst und den Revolutionsgarden kontrolliert – weitgehend ohne juristische Überwachung. Diese Bereiche gelten als besonders grausam und intransparent. Der Großteil der Häftlinge im Evin-Gefängnis hat keinen fairen Prozess, wird oft ohne Anklage monatelang festgehalten, bekommt keine juristische Unterstützung.

Dokumentationen aus der Haft

Am 30. August 2014 wurde Arabi von der Abteilung 76 des Teheraner Strafgerichts zu Tode verurteilt. Doch die zahlreichen internationalen Proteste und die beharrliche Arbeit der Menschenrechtsorganisationen hatten Erfolg – das Urteil wurde ein Jahr später aufgehoben und in eine mehrjährige Haftstrafe umgewandelt. Während seiner Haft dokumentierte Arabi mehrfach die katastrophalen Bedingungen im Gefängnis. In offenen Briefen, veröffentlicht durch Unterstützergruppen, berichtete er über Misshandlungen, fehlende medizinische Versorgung und den psychischen Druck durch Isolation. In einem Offenem Brief vom 24. August 2017 appelliert er an die iranischen Behörden und merkt an: „Ich habe all die Ungerechtigkeiten ertragen, aber ich kann nicht länger schweigen, wenn meine Familie weiterhin belästigt wird.“

Und in einem weiteren offenen Brief vom 23. September 2017 beschreibt Arabi seine Situation im Evin-Gefängnis und erklärt, warum er einen Hungerstreik begonnen hat:

„Ich kann nicht schweigen, wenn ich sehe, wie unschuldige Menschen hier im Evin-Gefängnis gequält werden. Hier werden Freidenker bestraft, nur weil sie die Wahrheit sagen.“ Seine Briefe wurden vor allem von den großen internationalen Menschenrechtsorganisationen unterstützt und verbreitet, darunter Amnesty International und Human Rights Watch, ergänzt durch spezialisierte Gruppen wie Center for Human Rights in Iran, Blogger-Portale und internationale Aktivistennetzwerke, die seinen Fall nach wie vor fördern und öffentlich bekannt machen.

Mit der Kamera gegen Unterdrückung

Arabi setzte seine Kamera vor allem als Werkzeug gegen Unterdrückung und Unrecht ein. Seine Fotografien dokumentieren die politischen und gesellschaftlichen Realitäten im Iran – oft unter extrem gefährlichen Bedingungen. Besonders eindrucksvoll sind die Aufnahmen, die er heimlich aus der Haft heraus veröffentlichte. Sie zeigen überfüllte Zellen, heruntergekommene Korridore, mangelhafte hygienische Bedingungen und die Isolation von Gefangenen. Mit diesen Bildern wollte Arabi nicht nur seine eigene Lage sichtbar machen, sondern auch auf das Leid seiner Mitgefangenen aufmerksam machen. Symbolträchtige Motive wie vergitterte Fenster, leere Betten oder offene Handschellen dienten dabei als stumme Anklage gegen das iranische Gefängnissystem. Seine Arbeit war und ist weit mehr als Fotografie – sie ist Widerstand, Zeugenschaft und Appell zugleich.

Sein Engagement und sein Mut wurden wenig später international gewürdigt: Am 7. November 2017 verlieh ihm die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ den Press Freedom Prize in der Kategorie „Bürgerjournalist“. Doch sein Einsatz blieb nicht ohne Folgen: Am 18. September 2020 wurde er in das Rajai Shahr-Gefängnis in Karaj im Nordwesten des Irans verlegt. Diese Maßnahme erfolgte als Bestrafung für seine Kritik an den Haftbedingungen und seine Berichterstattung über die Zustände im Evin-Gefängnis. Er kam erneut in Einzelhaft und war über einen längeren Zeitraum hinweg von der Außenwelt abgeschnitten.

Entlassung – und doch noch nicht frei

Am 16. November 2021 wurde er nach insgesamt fast acht Jahren Haft aus dem Rajai Shahr-Gefängnis in Karaj entlassen. Allerdings blieb er weiterhin unter staatlicher Kontrolle: Statt in seine Heimatstadt Teheran zurückzukehren, wurde er in die südiranische Stadt Borazjan verbannt, um dort eine zwei Jahre dauernde Zwangsexilstrafe abzusitzen. Diese zusätzliche Strafe wurde von den iranischen Behörden als „ergänzende Strafe“ verhängt, um seine Meinungsfreiheit weiter zu unterdrücken. Berichten von Amnesty International und Reporter ohne Grenzen zufolge wurde Arabi während seiner Haftzeit mehrfach gefoltert und medizinisch unzureichend versorgt.

Symbolfigur für Meinungsfreiheit

Am 2. Januar 2023 wurde Arabi erneut von den iranischen Sicherheitskräften festgenommen. Bei dieser Festnahme wurde er von Sicherheitskräften brutal misshandelt und zusammengeschlagen. Die dringend benötigte medizinische Versorgung wurde ihm verwehrt. Internationale Beobachter bewerten Arabis Situation weiterhin als Ausdruck systematischer Einschränkung von Meinungsfreiheit im Iran. Insbesondere seit den landesweiten Protesten in den Jahren 2022 und 2023 gegen das iranische Regime stehen politische Aktivisten, Journalisten und Künstler im Fokus staatlicher Repressionen. Arabi hatte sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich mit den landesweiten Protesten solidarisiert, unter anderem durch Beiträge in sozialen Medien und persönliche Stellungnahmen aus dem Gefängnis heraus. Menschenrechtsorganisationen wie Humanists International und Amnesty International fordern die vollständige Rehabilitierung Arabis sowie seine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Derzeit ist unklar, ob er nach Ablauf der angeordneten Exilzeit nach Teheran zurückkehren oder das Land verlassen darf. Arabi gilt heute als eine der bekanntesten Symbolfiguren für Meinungsfreiheit und digitale Bürgerrechte im Iran. Sein Fall wird weiterhin international beobachtet.

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